Stadtspaziergang am 9. November 2018 – Erinnerung an die Reichspogromnacht

„Nationalsozialismus“ – ein wichtiges Unterrichtsthema, das u.a. im WPK Geschichte des 9. Jahrgangs intensiv bearbeitet werden kann.
Noch interessanter wird das Thema dann, wenn wir diese Zeit am Beispiel des eigenen Wohnortes untersuchen. Geradezu bedrückend wird die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus` wenn wir feststellen müssen, dass dieser schreckliche Teil der deutschen Geschichte auch hier bei uns in Gifhorn stattfand und Opfer forderte.
Wir vom WPK Geschichte – Maria, Daniela, Lea, Julia, Velona, Medina, Eike, Zaara, Mehmed, Ferhat, David und Dogukan- haben uns zusammen mit unserer Lehrerin, Frau Zimmermann, mit dem Nationalsozialismus und den Folgen für Menschen in Gifhorn intensiv auseinandergesetzt.

Wir fragten uns, was die Politik der Nationalsozialisten für einzelne Menschen bedeutete. Am Beispiel des damaligen Redakteurs der Aller-Zeitung Willy Redlich erhielten wir bedrückende Einblicke in die Geschichte. Während unserer Recherche stöberten Maria, Julia, Lea und die anderen in vielen Quellen und gingen dafür auch ins Stadtarchiv. Frau Klaus – Nelles, die Stadtarchivarin, unterstützte uns Neuntklässler bei unserer Suche. So fanden wir heraus, dass Herr Redlich Jahrzehnte für die Aller-Zeitung arbeitete. Er war gezwungen, die von den Nationalsozialisten zentral gesteuerten Mitteilungen zu veröffentlichen. Wir entdeckten aber auch Artikel, die Willy Redlich selbstständig verfasst hatte.

Unsere Nachforschungen ergaben, dass Herr Redlich bis Anfang 1939 bei der Aller-Zeitung war. Als die Gestapo Lüneburg (zuständig auch für Gifhorn) herausfand, dass er jüdische Wurzeln hatte, verlor er sofort seinen Arbeitsplatz. Sie steckten ihn in Celle in Schutzhaft.
Nach seiner Entlassung erhielt er seine Arbeit bei der Zeitung nicht zurück.
Der Parteistellenleiter kürzte Redlichs Lebensmittelration. Weitere Verbote folgten. Das alles machte uns sehr betroffen.
Wir fragten uns, ob er nach der Haft überhaupt noch ein einigermaßen normales Leben führen konnte. Ging er immer noch gern zum Singen in den Gesangverein? Hatte er Auswanderungsgedanken? Unsere Fragen blieben unbeantwortet.
Wir forschten weiter und fanden heraus, dass Willy Redlichs Ehe mit seiner Frau Anna, die er 1907 geheiratet hatte, mit einem Mal durch ein nationalsozialistisches Gesetz ungültig wurde. Velona und Medina fragten sich, wie es Redlichs Frau erging. Welche Sorgen machte sie sich um ihren Mann und ihre Ehe?

Erschüttert lasen wir dann, dass sich Willy Redlich und seine Frau Anna in ihrer Wohnung in der Bodemannstraße 13 im März 1940 das Leben nahmen. Wie verzweifelt müssen beide gewesen sein?

Unsere Arbeitsergebnisse stellten wir im Rahmen des Stadtspaziergangs zum 9. November 2018 der interessierten Öffentlichkeit vor. Dieser Spaziergang wurde von der Stadt initiiert und gemeinsam von Herrn Meister, den Kirchen und vier Gifhorner Schulen (BBS I, Otto-Hahn-Gymnasium, IGS Gifhorn und der Freiherr – vom – Stein – Schule) zum 80. Jahrestag der Pogromnacht in Deutschland vorbereitet und durchgeführt.

Obwohl unser Jahrgang sich derzeit im Betriebspraktikum befand, erschienen Maria und Daniela nach ihrer Arbeit am 9. November zum vereinbarten Zeitpunkt am Schillerplatz, wo der Gedenkspaziergang begann. Vor dem Gebäude der Aller-Zeitung trugen Maria und Daniela mutig vor etwa 200 Zuhörern ihren Text über Willy Redlich vor. Da die anderen Schüler des Wahlpflichtkurses z.T. noch im Praktikum waren, übernahmen die beiden Schülerinnen kurzerhand auch die Station 3 – das Wohnhaus der Redlichs- und lasen Velonas und Medinas Text vor.
Wir vom Geschichte WPK haben verstanden, dass Nationalsozialismus unmenschlich ist. Wir haben verstanden, dass Ausgrenzung und Antisemitismus Menschen töten. Und wir wissen nun, dass wir so etwas nie wieder in Gifhorn erleben möchten.